"Alltags"-Flugbetrieb 1918
ein Zeitzeuge berichtet:
"Am 6. Februar 1918 traf das Schicksal eine Schulmaschine und ein Aufklärungsflugzeug vom Typ Rumpler Ru 6 B II. Beide Unfälle verliefen ohne Personenschäden. Am gleichen Tag stürzte ein weiteres Flugzeug bei Neumünster ab. Hier wurden der Pilot und sein Beobachter tödlich verletzt. Am Abend des gleichen Tages lösten sich beim Durchdrehen des Motors mehrere Schüsse aus dem starren Maschinengewehr eines Flugzeuges, die durch das Hallentor, die beiden Seitenwände (2 ½ Stein stark) von Halle II gingen und in die Wohnbaracke schlugen. Viel Dreck aber kein Personenschaden."
"Schon 14 Tage nach diesen turbulenten Ereignissen folgte am Mittwoch den 21. Februar 1918 ein weiteres spektakuläres Ereignis: Feuer-Grossalarm: Halle I brannte! Der Zimmermannsmaat Steffen hatte in der Tischlerei über der Waffenmeisterei wohnend beim Bratkartoffel machen auf einen brennenden Benzinkocher Benzin auffüllen wollen. Kocher und Kanne explodierten. In rasender Geschwindigkeit breitete sich das Feuer aus. Gegen 17.30 Uhr war das Feuer mit Unterstützung von zwei Löschzügen der Berufsfeuerwehr Kiel zum größten Teil niedergekämpft. Die Halle, ein Holzbau, brannte restlos ab. 16 Flugzeuge, die Tischlerei, die Waffenmeisterei mit der Kammer für die Bereitschafsmunition, die explodierte, und die Telefonzentrale wurden vernichtet. Nur der günstige Umstand, dass der Wind in letzter Minute nach See drehte, verhinderte die Explosion des in zwei Meter Tiefe liegenden Tanks mit 30.000 Liter Benzin, die erst zwei Tage vorher aufgefüllt waren."
Am 20. April 1918 meldet der Chronist: seit 3
Tagen keine Havarien bei regulärem Flugbetrieb, dafür heute eine
Maschine auf den Kopf gestellt und abgesackt - keine
Personenschäden.
Die zunehmende Disziplinlosigkeit der Mannschaften und der zivilen Beschäftigten führten zu ansteigenden Diebstählen, die verstärkte Sicherheitsmaßnahmen erforderten. Auch die Sauberkeit ließ zu wünschen übrig, so dass für alle Mann am 4. Mai eine große Entlausungs-aktion angesetzt wurde. Am 11. Mai herrschte ein reger Flugbetrieb. Alles was Flügel hat ist in der Luft! Seit langem kein Bruch - dafür heute nachgeholt: ein Flugzeug kam ohne Schwanz zurück, der in einer Rollkurve (?) abgebrochen war. Ein Flugzeug flog gegen eine schwimmende Dampframme in der Nähe von Halle III und riss sich das Tragdeck auf. Ein drittes Flugzeug flog beim Start gegen eine anrollende Maschine, beide zerschlugen sich die Tragdecks (Tragflächen). Und als Höhepunkt des Tages kam beim Anflug auf einem Verkehrs-dampfer der NDC (Norddeutsche Dampferkompanie), was verboten war aber immer wieder gemacht wurde, bei der Anlegebrücke in Holtenau ein Flugzeug so tief, dass es mit dem Spannseil zwischen den Schwimmern den Knopf am Mast abriss. Der gleichzeitige Bruch des Seiles verhütete den Absturz. Zum Abschluss dieses turbulenten Tages wurde beim Justieren der beiden Maschinengewehre einer weiteren Maschine der Propeller 4 mal zerschossen. Es drängt sich die Frage auf, ob die Unfallhäufigkeit nun Folge einer mangelnden Ausbildung oder in Anbetracht des nahenden Kriegsendes die erforderliche Sorgfalt nicht mehr ausgeübt wurde.
Anmerkung:
Tagebuchnotizen aus dem Nachlass von Rheinhold Rosenburg, Kiel, aktiv 31/VIII17-1/IX20, I. SFA Holtenau (Quelle: Klaus Griese, Luftfahrtgeschichte der Stadt Kiel, 2000)
Foto zur Verfügung gestellt von der Wehrgeschichtlichen Sammlung Cayé